Weltreisetage 64 – 69.
Hoh Chi Minh-Stadt oder Saigon? Wie heißt diese Stadt nun richtig? Offiziell lautet der Name Hoh Chi Minh-Stadt. Und zwar seit 1975, als sie das Zepter der Hauptstadt an das nördliche Hanoi übergeben musste und Vietnam wiedervereint war. Inoffiziell sprechen viele Einheimische nach wie vor von ihrem Saigon, wie es vor dem Vietnmakrieg hieß. Ob die Umbenennung der Stadt im Zuge der Vereinnamung durch Nordvietnam als „Befreiungsschlag“ oder eher als „Fall“ Saigons bewertet wird, hängt wohl davon ab, wo man wohnt. Wir beschließen, sie immer so zu nennen, wie es die Menschen der jeweiligen Region nennen, in der wir uns gerade befinden. In der Stadt selbst bedeutet das, dass wir uns unserem Gegenüber anpassen. Und das heißt, dass wir zum Teil minütlich umschwenken.
Nachdem wir unsere Air B&B-Unterkunft in einer ganz wunderbaren Nachbarschaft mit verwinkelten Wohnhäusern, Geschäften und kleinen Restaurants und Cafés genauso wir Garküchen gefunden und bezogen haben (unsere Hausherrinnen sind zwei ganz reizende, alte Damen, deren Enkletochter allerdings gut Englisch spricht und die uns im Notfall einfach das Handy ans Ohr halten und die Nummer von jemandem, der Englisch spricht, wählen. Taff die zwei. Und überhaupt unschlagbar in Candy Crush, denn das ist – außer uns beiden die Tür aufsperren – die Hauptbeschäftigung der beiden.
Wir machen in den ersten beiden Tagen viele Spaziergänge durch die Stadt und lassen uns durch das Hupen der Mopeds nicht aus der Ruhe bringen. Dabei huldigen wir aus Versehen der Fruchtbarkeits- und Wassergöttin, was uns auch noch 10$ kostet, steigen über Kisten voll Krimskrams in Chinatown, lernen viel über die Geschichte Vietnams im sehr beeindruckenden „War Remnants Museum“, sehen Grippal aus Alufolie, besichtigen Kirchen voller Ventilatoren und Fernsehbildschirme und essen die beste (asiatische, nicht bayrische!) Fischsuppe unseres Lebens. Die ist so unfassbar gut, dass wir sie an fast allen Tagen unseres Aufenthalts in der Stadt mindestens einmal, manchmal zweimal und einmal sogar zum Frühstück essen.
Silvester steht vor der Tür und wir sind gespannt, was uns da in dieser rießigen Stadt erwartet. Wir sind mit Rosa, die wir in Hanoi kennen gelernt haben und ihrem schweizer Freund Daniel, der in Saigon lebt, verabredet. Außerdem treffen wir wieder Reece und Emma, deren Eltern über Silvester für einige Tage zu Besuch sind. Mit einem Freund Daniels aus der Schweiz sind wir zu neunt und stellen uns auf einen netten Abend ein. Ha! Typisch Silvester wird es eine Katastrophe.
Wir treffen uns in einem kleinen Lokal namens Magnolia zum Abendessen und die Kulturen prallen aufeinander. Falsch bestelltes Essen, viel Wein, Hühnerfüße als Zwischendurchsnack und Wirtsleute, die um 22 Uhr schließen wollen. Draußen finden wir uns mitten in der Backpacker-Straße wieder, einem dröhneneden, lauten Gewusel, das nicht nur für Emma’s Eltern ein zweiter Kulturschock (nach dem Hühnerfüße-Snack) ist, sondern auch den Rest von uns völlig überfordert. Platzangst darf man hier und heute nicht haben! Wir kämpfen uns einen Weg aus der Menge und machen uns auf richtung Zentrum, wo wir auf ein Feuerwerk hoffen. Massen von Mopeds, Autos und Rikschas in einem der vielen, rießigen Kreisverkehre trennen die Gruppe beinahe, denn nicht alle schaffen es gleichzeitig, sich durch die Lücken in der dunklen Nacht auf die andere Seite zu kämpfen. Als wir uns wieder alle haben, beschließen wir, im nächsten Supermarkt ein Bier zu kaufen. Den Plan haben mehr Menschen, aber Reece ergattert uns eines der letzten Packerl (wenn ein Engländer Bier will … :)). Als wir am großen Platz beim Hoh Chi Minh-Denkmal neben dem Hilton ankommen, sehen wir eine rießige Bühne mit wummerndem Bass und schlechter Musik. Auf der anderen Seite wird halbherzig ein großes Gebäude angestrahlt. Das Feuerwerk hätte jeder Priener Halbwüchsige besser gemacht. Aber klar: Interessiert ja in echt auch niemanden, dieses Neujahr des Westens, denn das Chinesische Neujahr wird erst in ein paar Wochen gefeiert …
Wir beschließen, Emma’s Eltern, die sichbereits vor einiger Zeit zurück in ihre Hotelbar geflüchtet haben, noch etwas Gesellschaft bei einem guten Gin Tonic zu leisten und ihnen beruhigend erklären zu versuchen, dass das nicht unser Alltag hier in Asien ist.
Den Neujahrstag verbringen wir an einem öffentlichen Pool. ‚Entspannt, mit vielen kleinen Kindern um uns rum 🙂