Weltreisetage 69 – 73.
Für die beiden älteren Damen, die uns in Saigon so aufopfernd beherbergt haben, gelten wir als Glücksbringer, waren wir doch die beiden ersten Personen, die zum neuen Jahr (zumindest zum westlichen) ihr Haus betreten haben. Wir fühlen uns geschmeichelt, haben mittlerweile jedoch gelernt, dass alles, was nichts schlechtes bringt, automatisch als Glücksbringer gilt. Süß sind sie trotzdem 🙂
Mit dem öffentlichen Bus machen wir uns auf nach Vinh Long, dem ersten von drei Stopps im Mekong-Delta.
Im Bus schenkt uns ein buddhistischer Mönch, der etwa so alt ist wie wir, je ein Baguette, denn er hat sechs davon. Das Baguette hier schmeckt sehr süß und wir genießen es. Ich schreibe ein paar Worte des Dankes auf vietnamesisch auf ein Kärtchen, das ich dem Mönch gebe. Er freut sich sichtlich, schaut er es doch länger als nur einen flüchtligen Augenblick an, ja, scheint es sogar regelrecht zu studieren und beschenkt uns nochmals, jetzt mit einem herzlichen Lächeln.
In Vinh Long angekommen, fragen wir uns durch, wie wir auf die andere Flussseite zu unserer Herberge kommen und gelangen schließlich zu einer Fähre, die alle 15 Minuten übersetzt. Ein Vietnamese um die 60 frägt uns, ob wir nicht Lust hätten, mit ihm und seinem beiden Freunden einen Kaffee zu trinken. Wir sind etwas skeptisch, stimmen aber zu, da das Café direkt neben der Anlegestelle ist und ein vietnamesischer Kaffee bisher immer eine gute Idee war. Außerdem bestehet er darauf, unsere Fährüberfahrt (umgerechnet 10 Cent) zu bezahlen. Tatsächlich sind die drei Freunde (Tam (sein Name bedeutet „Herz“), Gin (Orchideen-Züchter, das „Neun“te Kind) und Thanh („Erfolg“)) eine Englisch-Lerngruppe, die immer Fremde auf der Fähre ansprechen und sie zu einem Kaffee einladen, um ihr Englisch etwas verbessern zu können.*
In unserem Homestay haben wir zur Begrüßung eine Begegnung mit einer Maus auf unserem Moskitonetz und werden den ganzen Abend von Karaoke-singenden Nachbarn beschallt. Als wären es der kuriosen Begenungen heute noch nicht genüge, gesellt sich nach einem üppigen Abendessen ein Japaner zu uns, mit dem wir bis spät in die Nacht über Buddhismus, Weltreligionen, Politik und die großen Fragen des Lebens diskutieren und philosophieren. Ein ganz außergewöhnlicher erster Eindruck des Mekong-Deltas, wo wir eigentlich nur per Zufall noch einen Abstecher hingemacht haben.
Schlaf bekommen wir kaum, geht es doch am nächsten Morgen schon früh – nach einem Sonnenaufgangs-Frühstück auf der schönen, offenen Terrasse zwischen Bananen- und Papaya-Bäumen – flussabwärts zum Mekong-Delta und den „Schwimmenden Märkten“, auf denen Lebensmittel aller Art von Boot zu Boot gehandelt und gefeilscht werden. Leider sind wir zu spät und alle anderen schon daheim, also ziehen auch wir wieder ab. Natürlich nicht ohne das ein oder andere Verkaufsgeschäfterl am Ufer (bei solchen Bootsfahrten werden gerne Silber- oder Seidenmanaufakturen, Süßigkeitenfabriken oder Schnapsdestillerien angesteuert) zu Besuchen. „Do you wanna buy Souvenier?!“ Nein, danke! Aber die vietnamesischen Süßigkeiten und auch Schlangen-Schnaps probieren wir gerne 🙂
Am Nachmittag gibt es, inspiriert vom Kapitän, erst ein Nickerchen in der Hängematte und dann eine Radltour um die Insel. Als wir an der Schule der kleinen Insel vorbeifahren, machen sich gerade eine Meute sieben- bis zwölf-Jähriger auf den Heimweg und wir grüßen innerhalb einer Minute mindestestens 200 Mal „HEL-LOH“ im Vorbeifahren zurück, da Europäer zu sehen für die Kinder immer noch etwas besonderes ist und natürlich alle ihr Englisch üben wollen.
Abends entdecken wir eine Volleyball-Mannschaft, die nebenan trainiert. Nach so vielen Wochen der Abstinenz schließt sich Martin ihnen auf ein Spielchen an und wir finden uns anschließend einer Einladung zum Abendessen folgend und gemeinsam am Boden des Nachbarhauses sitzend, aus einem Topf, der in der Mitte steht, Fisch und Gemüse essend, mit Google-Translator kommunizierend und selbstgebrannten Schnaps trinkend. Wir finden nicht heraus, wer genau der Gastgeber ist oder in welchem verwandt-/freundschaftlichen Verhältnis die jungen Männer zu einander stehen, genießen allerdings die abwechslungsreiche Gesellschaft, bei der eine Kommunikation mit Worten nicht möglich ist.
Nach einem letzten Kaffee mit unseren drei neuen Freunden aus der Englisch-Lerngruppe fahren wir mit einem alten, klapprigen Bus, bei dem die Sitze, schon in ihre Einzelteile zerfallen sind, in das 50 Kilometer entfernte Can Tho. Im Hotel angekommen bin ich ganz aus dem Häuschen, als wir zum ersten Mal seit einer ganzen Weile eine von der Toilette abgetrennte Dusche sehen. Wie zuhause! Wahnsinn! Denn normalerweise sind Klo und Dusche in Asien eins und nach einem Duschgang steht alles unter Wasser, man findet sich noch Stunden später auf einer nassen Klobrille sitzend. Zu viele Details? Unsere Reise ist nicht immer nur traumhaft, sondern meistens im doppelten Sinne einfach voller neuer Erlebnisse. Und das Klo gehört einfach dazu. Und wenn wir schon mal beim Thema sind: Dieses hier im Hotel hat zumindest Klopapier und nicht nur eine Brause. Über was man sich alle freuen kann … 😀
Auf dem Nachtmarkt Can Thos finde ich wieder einmal die guten, guten Schmalz-Nudeln bzw. Krapfen, die so nur meine Oma Centa zustande gebracht habe. Dieser Abend schmeckt köstlich nach Kindheitserinnerungen!
Um 5 Uhr geht es am nächsten Morgen zum Pier, wo wir auf „Mum“ treffen, eine ältere Vietnamesin, die uns heute zu den echten Schwimmenden Märkten, die wir vorgestern nicht gesehen haben, bringen wird. Nachdem wir etwa 30 Minuten unterwegs sind und die Morgendämmerung langsam einsetzt, kaufen wir uns auf einem Boot zwei Kaffee, auf einem anderen zwei belegte Baguette und auf einem dritten für Mum, an die wir uns im Nachhinein liebevoll an „Mami, die alte Gaunerin“ erinnern, eine blaße, gefüllte Teigtasche, die es in Vietnam an jeder Ecke gibt, die wir uns aber noch nicht getraut haben, zu probieren. Wir denken, dass sie vielleicht dann endlich aufhört, uns davon überzeugen zu wollen, unseren Ausflug doch von 3 auf 6 Stunden upgraden zu wollen. Sie hört tatsächlich auf und isst, leicht beleidigt, ihre Teigtasche.
Auf der Rückfahrt sehen wir, was wir schon mehrmals befürchtet haben: Das Geschirr wird, wie auch Kleidung und Menschen, im Mekong gewaschen, diesem braunen, schmutzigen Fluss. Fehlende Wasserversorgung zwingt dazu.
Chau Doc, unseren letzten Stopp in Vietnam, erreichen wir später an diesem Nachmittag. Im Regen. Wir haben hier eigentlich nur für den Sonnenuntergang und die angeblich phänomenale Aussicht einen Abstecher hin gemacht, der uns für morgen zwar eine komplizierte Überfahrt nach Kambodscha verheißt, aber in unseren Augen trotzdem die Strapazen wert wäre. Wenn es sonnig wäre zumindest … Im schwül-heißen Tropenregen erklimmen wir bei 100% Luftfeuchtigkeit den Hügel zum Aussichtspunkt bereits etwas schlecht gelaunt und beschließen, obwohl wir es rechtzeitig zum Sonnenuntergang schaffen und dieser schöner ist als gedacht, nie wieder komplizierte Abstecher zweckst Aussicht zu machen.
*In den Monaten nach unserem Kaffee sehen wir immer mal wieder Bilder der Englisch-Lerngruppe mit verschiedenen Urlaubern in dem gleichen Café, in dem auch wir mit den dreien Englisch geübt haben.