Weltreisetage 73 – 77.
In Ha Tien/Vietnam ist der für uns am nähesten gelegene, offizielle Grenzübergang nach Kambodscha. Von Chau Doc aus gibt es allerdings keine Busverbindung dorthin, geschweige denn, buchbare Grenzüberführungen. Wir haben also keine Ahnung, wie wir nach Ha Tien gelangen, von dort den Grenzübergang nach Kambodscha bewerkstelligen und weiter nach Otres Village, wo wir abends Emma und Reece treffensollen, kommen sollen. Gäbe es da nich Ful, den Cyclo-Fahrer …
„Where do you go?“ ruft er uns schon von weitem zu, in der Hoffnung, in uns zwei neue Fahrgäste gewinnen zu können. Wir erklären Ful unser Dilemma und er gibt uns tatsächlich verschiedene Tipps, wie wir nach Ha Tien kommen könnten – einer spektakulärer wie der andere, abgesehen vom teuren Taxi. Wir einigen uns darauf, dass er uns morgen früh um 9 Uhr in den Local-Bus setzt.
Um kurz vor 9 Uhr sind wir unten und Ful winkt den vorbeifahrenden Mini-Bus (hingegen jedere Erwartung sind fast alle Verkehrsmittel immer pünktlich) für uns heran. Für Fremde ein Ding der Unmöglichkeit, dne richtigen Bus zu identifizieren, denn tatsächlich muss man einfach wissen, welcher Bus wann wohin fährt, weil entweder der Nachbar der Busfahrer ist und gefahren wird, wenn der Bus voll ist, oder weil der Busfahrer im Vorbeifahren laut hupt und der Busbegleiter laut den jeweiligen Zielort aus der immer offenstehenden Bustür hinausschreit. In unserem Fall ist handelt es sich um die Nachbars-Variante. Außer Ful spricht niemand Englisch. Das Gespräch zwischen ihm und der Busbegleiterin dauert recht lange, wir sind etwas stutzig. Er sagt uns aber dann, dass alles in Ordnung wäre und nennt uns den zu zahlenden Betrag (ein Bruchteil des Taxis). Wir sind etwas unsicher, ob das alles so klappt, haben aber kein ganz schlechtes Gefühl und vertrauen einfach mal in die Gastfreundschaft der Vietnamesen.
Nach etwa 10 Minuten, in denen es uns auf der Ruckelpiste, die die Vietnamesen Straße nennen, vollkommen durchgerüttelt hat, wollen wir auf Google Maps überprüfen, wann wir denn endlich auf die Hauptstraße kommen und müssen feststellen, dass wir längst auf dieser sind.
Wir sind vielleicht 20 Minuten unterwegs, als wir den ersten Stopp einlegen, um den schmalen Kofferraum mit Reissäcken voll zu stopfen. Die Kofferraumtür geht jetzt zwar nicht mehr ganz zu, aber für was gibt es Expander. Und die ganzen Nachbarn, die sich mit vereinten Kräften gegen die Tür stämmen. Bis zum nächsten Stopp in weiteren 30 Minuten, bei dem die Reissäcke wieder abgeliefert werden, wird’s schon halten.
Plötzlich sollen wir aussteigen. Auf halber Strecke irgendwo im nirgendwo!? Die Busbegleiterin lotst uns auf die andere Straßenseite, wo sie mit einem Mann spricht. Es wird auf uns gezeigt und die Frau gibt dem Mann an der Straße Geld, dieser nickt. Man deutet uns zu warten. Wir halten gemeinsam Ausschau nach einem Anschlussfahrzeug und beten nur, dass sie uns nicht auf Motor-Taxis setzen wollen – das einzige Wort, das wir vorhin verstanden haben.
Unser Bus samt Busbegleiterin fährt weiter. Es dauert keine fünf Minuten und der Mann winkt einem nahenden, sehr, sehr klapprig aussehendem, alten Bus. Halb im Weiterfahren werfen wir unser Gepäck rein, zwängen uns durch die schmale Tür, steigen über Beine von Fremden, die uns mit großen Augen anschauen, klettern über Reissäcke und weichen herabgefallenen Kopfstützen aus, bis wir uns im hinteren Teil des Buses auf zwei freie Sitze quetschen. Der Mann vom Straßenrand gibt dem Busbegleiter des neuen Busses die Geldscheine durchs Fenster, die ihm unsere vorherige Busbegleiterin gegeben hat, die sie zuvor von Ful,dem Cyclo-Fahrer bekommen hat und die wir ihm am Anfang gegeben haben. Es ist eng, im Bus wird geraucht, alle schauen uns verstohlen an, wir wissen nicht genau, wohin die Fahrt jetzt weiter geht, keilen uns auf unserem Sitz ein, um für die rasante Fahrt gewappnet zu sein und winken dem Mann am Straßenrand, der uns herzlich anlacht. Auf Google Maps auf unseren Handys sehen wir, dass die Richtung stimmt und der Bus bringt uns schließlich (sicher!?) nach Ha Tien.
Als der Bus in den Busbahnhof von Ha Tien einfährt, laufen bereits wie gewohnt Motor-Taxi-Fahrer mit dem Bus zum endgültigen Parkplatz und versuchen dabei bereits durch Gesten und Deuten Fahrgäste zu gewinnen. Beim Aussteigen schwappt uns das übliche „Where do you go?“ entgegen. Martin sagt „We go to Cambodia!“ und erwarten damit, dass man sich von uns abwendet, um richtige Fahrgäste zu finden. Aber nein, das Gegenteil passiert: Schwups-di-Wups hat der erste Motor-Taxi-Fahrer einen Schlepper-Kumpel, den er direkt anruft. Da man nie weiß, was gleich passiert, laufe ich schnell zum obligatorischen Hockklosett und zahle die geforderten 2000 Dong (2 Cent oder so). Und dann muss es auch schon wieder ganz schnell gehen. Sein Schlepper-Kumpel habe noch zwei Plätze im Minibus, der aber jetzt gleich über die Grenze fährt. An der anderen Busstation. Schon stehen zwei Motor-Taxi-Fahrer vor uns, die uns jeweils einen Helm (ramponiert und nicht passend, aber immerhin) in die Hand drücken und unsere Rucksäcke vor ihre Knie auf die Roller zwängen. Im Handumdrehen ist Martins Motor-Taxi weg, mein Fahrer setzt aber direkt hinterher und binnen fünf Minuten füllen wir auch schon Arrival- und Departur-Karten für das Visum aus und schieben US-Dollar über den Tisch. Im Minibus sind nicht wirklich zwei Plätze frei, aber geht auch so und irgendwie werden wir mit reingezwängt und die paar Minuten zum Grenzübergang gefahren. Hier müssen wir alle mitsamt unserem Gepäck wieder aussteigen und zu Fuß durch die Grenzwachposten gehen. Die Abwicklung der Ausreise aus Vietnam und Einreise nach Kambodscha dauert rund eine Stunde. Martin und ich werden in verschiedene Minibusse gesetzt und fahren so bis Kep. Eine Fahrt, die uns Kambodscha in seiner ganzen Armut präsentiert. Es hat auch noch zu regnen begonnen, was das schlammige Braun und die Müllhalden rund um die Häuser noch grausliger wirken lässt.
In Kep angekommen haben wir 1,5 Stunden Zeit, um herauszufinden, was es in Kambodscha zum Essen gibt und uns beim ATM mit kambodschanischem Riel zu versorgen, bevor uns ein auf Kühlschrank-Temperatur runtergekühlter Bus erst nach Kampot und anschließend nach Sihanoukville bringt, von wo aus wir mit einem Tuk-Tuk zum Otres Beach fahren, wo wir von Emma und Reece in einer Strandbar mit Gin Gin’s in Empfang genommen werden. Die Füße im weißen Sand und das Meeresrauschen in den Ohren feiern wir nach 12 Stunden in und auf insgesamt sechs verschiedenen Fahrzeugen unseren ersten gemeinsamen Abend in Kambodscha und nehmen gleichzeit wieder auf ungewisse Zeit Abschied.
Die nächsten Tage relaxen wir in dem kleinen Hippie-Dorf Otres Village, wo man länger auf zwei Bier als auf einen Joint an den Strandbars wartet (pssst … ). Wir feiern die Samstag Nacht in Otres Market mit viel gutem Essen und weltbereisten Bands, kurieren leicht aufflammende Erkältungserscheinungen aus, bespaßen die Nachbarskinder und entspannen uns einige Tage in unserem kleinen, himmelblauen Bungalow bei Sibel und Yukka im wunderbaren Skyblue Bungalows, wo außer Essen und Atmen nicht viel passiert. Zum ersten Mal seit Oktober genießen wir das Sein am Meer.