Die Kinder von Chhearteal

Weltreisetage 89 – 92.

Am nächsten Tag planen wir unsere Fahrt in das kleine Dorf, in dem Emma und Reece seit einer Woche freiwillig Englisch unterrichten.

Das Problem ist dabei allerdings, dass uns zunächst niemand sagen kann, wie das Dorf heißt und wir da hin kommen und auch Emma kann uns nur die ungefähren Koordinaten auf Google Maps geben. Der Taxi-Preis ist bei etwa 100 US$, was echt zu viel ist für die 60 Kilometer. Aber unsere Hotel-Leute wären nicht unsere Hotel-Leute, wenn sie sich nicht einen Hax ausreissen, weltmeisterlich für uns durch die Gegend telefonieren und schließlich einen bezahlbaren Transport organisiseren würden. Was wir nach verschiedenen Telefonaten wissen ist, dass das Dorf, in das wir wollen, Chhearteal heißt, die Organisation Karuna Center for Education, dass an der Psar Mondial Station, die versteckt in der Nähe des Khleang Romsev Markets (keine Ahnung, wo das alles ist) morgen Mittag ein Mini-Bus auf uns wartet und dieser uns dann in diesem Chhearteal an einem Shop aussteigen lässt, in dem Handys verkauft werden. Es gibt keinen offiziellen Bus, niemand wird Englisch sprechen und das kleine Dorf ist irgendwo im nirgendwo. Einmal mehr ist unser Vertrauen gefragt und wir glauben einfach ganz fest daran, dass wir morgen schon irgendwie dahin kommen.

Wir frühstücken spät am nächsten Morgen und warten darauf, dass uns unser Hotel-Mensch zur Busstation fährt. Die Abfahrt verschiebt sich erst um eine halbe, dann um weitere 1,5 Stunden. Wir sitzen und warten. Und essen nochmal was, denn das haben wir in Südostasien schon gelernt: Gegessen wird immer, wenn gerade sonst nichts zu tun ist, vor allem, wenn man nicht weiß, wann man das nächste mal was kriegt 🙂

Wir fahren mit einem echt Einheimischen-Bus: Alt, klapprig, ohne Klima und bis auf den letzten Platz besetzt. Vor und unter sowie auf den Sitzreihen hinter uns sind Säcke, Paletten und Packerl mit verschiedensten Dingen. Es gibt, nachdem alles beladen ist, noch 5 Sitze – Fahrer- sowie Beifahrersitz und drei Plätze hinten. Der Bus ist randvoll. Dachten wir. Es wird mehrmals gestoppt und es steigen immer mehr Leute ein, bis wir zu elft (!) auf 5 Sitzen sitzen. 2 auf dem Beifahrersitz, 1 auf der Handbremse, 5 quetschen sich auf den drei Sitzen der Rückbank zusammen, ich kauere zwischen Martins Knien und dem Fahrersitz auf meinem Rucksack und der Fahrersitz (!!!) ist tatsächlich mit 2 Personen belegt. Das witzigste ist dann, als der Fahrer sich kurz anschnallt, als ein Polizist vom Straßenrand durchs Fenster reinspät. Der Polizist nickt, wir sind vorbei und alle schmunzeln. Mit offenen Fenstern kanns jetzt endlich losgehen auf die 2-stündige Fahrt.

Noch können wir lachen, ist ja noch alles leer …

 

Als mir dann schon der gesamte Körper eingeschlafen ist und Knie und Hüfte zwicken, werden wir endlich mit samt unserem Gepäck bei einem kleinen Standl mitten im Nirgendwo, wo die Straßen noch ungeteerte, rot-braune Wege mit Schlaglöchern sind, man aber tatsächlich ein neues Samsung-Handy kaufen kann, ausgeladen. Wir machen Bekanntschaft mit Ma, die hier die Standlbesitzerin und sowas wie der Bürgermeister ist. Ma wird auch diejenige sein, die uns zweimal am Tag essen kocht. Sie redet auf kambodschanisch auf uns ein und denkt, dass wir es schon verstehen werden, wenn sie uns nur laut und langsam genug anschreit. Wir haben keine Ahnung, nicken aber eifrig und wählen Emmas Nummer, die innerhalb von 3 Minuten den Weg entlang gelaufen kommt. Wir sind also tatsächlich im richtigen Örtchen angekommen.

Es gibt kein Internet, dafür schwarze Skorpione im Busch nebenan. Wir schlafen auf dem Boden einer zugigen Holzhütte, die mich sehr an unser altes „Ant’n-Heisl“ daheim in Prien erinnert, in dem wir vor 20 Jahren Enten gehalten haben und scheuchen nicht nur eine Kakerlake aus unserem Moskitonetz raus:

Unser Bett/Schlafzimmer

 

Ein schwarzer Skorpion vor der Hütte. Im Dunkeln nochmal auf’s „Klo“ (= der Busch hinterm Haus) müssen  ist nur mit Taschenlampe möglich und nicht besonders lustig …

 

Wir bekommen zweimal täglich etwas zu Essen, einmal um 10 und einmal um 17 Uhr, immer Reis und immer ähnliches, fades, grünes Gemüse ohne viele Gewürze. Wir zahlen 50 Cent pro Person pro Essen und vermuten, dass wir angesichts dessen, was die Menschen hier so haben (nämlich nichts) ziemlich gewissenhaft und gut von Ma versorgt werden. Abends ist ein Meer aus funkelnden Sternen auf dem tief dunklen Himmel über unseren Köpfen und man erkennt ganz leicht die Milchstraße. Die Kinder kommen mit Plastiktüten statt Schulranzen. Viele sind ganz offensichtlich mangelernährt und essen trockene, harte Instantnudeln zu Mittag. Wir teilen unsere Bananen mit ihnen.

 

Wir haben die Kinderbücher dabei, die wir in Phnom Penh gekauft haben und können so recht schnell das Eis brechen. Der Kinderatlas ist dabei das Highlight:

 

Und unterrichten helfen dürfen wir natürlich auch:

 

Und so schauts vor der Klassenzimmertür mit 70 Kindern aus:

 

Und, was soll ich sagen, das kleine Dorf mit seinen 400 Kindern trifft uns mitten ins Herz. Es war wunderbar, herzüberschäumend und tiefbewegend so fern ab unseres modernen Lebens ein paar Tage im einfachen Kambodscha verbringen zu dürfen.

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