Luang Prabang, das Paris Asiens

Weltreisetage 36 – 41: Luang Prabang

Und plötzlich ist überall ein Hauch von Frankreich spürbar: Schwere, dunkle Holzmöbel, kleine Straßenlaternen, Croissants und Patisserien. „Indochine Style“ ist das beschreibende Wort für all das.

Wir sitzen in Luang Prabang in einem kleinen Buchcafé (wie lange träume ich schon von so etwas?!), das Books&Tea heißt und neben gebrauchten Büchern in allen Sprachen, französischem und laotischem Frühstück auch Handgefertigtes aus Laos verkauft. Bei einem Chai-Tee entdeckt Martin im Lonely Planet über Laos, den wir im Bücherregal gefunden haben und durchblättern, um die nächsten Tage zu planen, den Ausdruck „Khàwy baw dâi sang náew nîi“. Nach „Guten Tag!“ und „Danke“ einer der ersten Ausdrücke, die wir lernen. Wir müssen lachen! Denn „Khàwy baw dâi sang náew nîi“ heißt so viel wie: „Ich habe das nicht bestellt.“ Essen zu bekommen, das man nicht bestellt hat, scheint wohl ein gängiges Phänomen in Laos zu sein, wie wir ja schon erlebt haben. Halb so schlimm, da es meistens sehr lecker ist.

Luang Prabang macht uns richtig viel Spaß. Ein ehemaliges, französisches Kolonialstädtchen, in dem nach wie vor viele Franzosen leben und Lokale, Cafés sowie Hotels betreiben. Wir genießen warmes Baguette, ofenfrische Croissants, Pan du Chocolat, Chai-Tee, echte Bruschetta, selbstgemachte Marmelade, feinen Kaffee und frisches Obst mit Joghurt. Allerdings schmeckt das unserem Budget nicht ganz so gut wie uns: Laos ist um einiges teurer, als wir erwartet hatten. Als eines der 20 ärmsten Länder der Welt hatten wir die Lebenshaltungskosten bei unserer Budgetierung vor der Reise als nicht all zu teuer eingestuft und gehofft, hier etwas sparen zu können. Das leckere Gebäck wird uns wohl zum Verhängnis werden, denn allein das fantastische Frühstück verschlingt fast unser gesamtes Tagesbudget für Essen. Natürlich könnten wir günstiger essen, aber will man das denn wirklich?

Der Nachtmarkt ist geprägt von handgemachten Dingen wie Taschen, Einschreibbüchlein oder Karten. Viele Künstler sitzen auf ihren kleinen Plastiksesseln oder am Boden und malen oder zeichnen auf Leinwände, Blütenpapier oder Holz. Die kleinen Kunstwerke eines dieser Künstler gefallen uns so gut, dass wir jeden Abend zu ihm zurückkehren. Wir beobachten ihn beim Zeichnen und Colorieren und kaufen ihm Grußkarten ab, die wir später als Weihnachtspost nach Hause schicken.

Die Geschichte dieses Landes ist leider nicht so romantisch wie man erwarten würde, würde man nur Luang Prabang sehen. Geprägt durch den Vietnamkrieg in den 1970er Jahren finden sich in ganz Laos nach wie vort unzählige Blindgänger, die erst nach und nach gefunden werden. Viele kleine Stände bieten aus Bombenresten gefertigte Löffel, Armbändchen, Ringe und Anhänger zum Verkauf. Ich kaufe einen Ring, der aus den vielen gefundenen und entschärften Bomben eines Krieges, der nie ein laotischer war, besteht. Das Projekt, mit dem viele Haushalte etwas dazuverdienen, steht unter dem Motto „Buy back the bombs“ und heißt „The Peace Bomb Project“. Es passt gut zu meinen Armbändchen, das ich gestern von einer Einheimischen auf unserer Bootsanreise ertsanden habe.

Die Bambusbrücke, welche einige jenseits des Mekongs gelegenen Restaurants (darunter eines, das wir gestern Abend fast besucht hätten, uns dann aber für den nächsten Tag aufsparen wollten) mit der Innenstadt von Luang Prabang verbindet, ist am nächsten morgen nicht mehr existent. Über Nacht wurde sie von einer Flut niedergerissen. Wir lassen uns erklären, dass das etwa drei Mal im Jahr passiert. Grund dafür ist eine große, chinesische Fabrik, die den Mekong immer dann flutet, wenn sie die Produktion wieder auf nimmt. Der Einheimische erzählt uns das zwar mit einem leichten Groll in der Stimme, dennoch resignierend. Laos scheint es gewohnt zu sein, unter Dingen zu leiden, die nicht ihre eigenen sind.

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Auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft entlang des Mekongs sehen wir die erste lebendige Schlange, die sich leise an der warmen Steinwand entlang schlängelt. Sie ist gelb-schwarz – selten ein gutes Zeichen in der Tierwelt. Leider wird das nicht die letzte Begegnung mit einer Schlange bleiben.

Nach einer ersten Stadterkundung mit dem Radl und der Besichtigung verschiedener Tempel, fahren wir zum UXO-Museum, was uns sehr bewegt. „UXO“ bedeutet „unexploded ordnance“ oder zu Deutsch Blindgänger und zeugt von der dramatischen, jüngeren Geschichte dieses Landes, denn Laos litt sehr unter dem Vietnamkrieg. Als unbeachtetes Nachbarland beherbergte Laos große Teile des Hoh-Chi-Minh Pfades, der es den Vietnamesen ermöglichte, sich gegen die Amerikaner in einem langen und erbarmungslosen Kampf zu behaupten. Ohne die Hilfe von Laos durch die Öffnung dieses Weges, über den Vietnam seine Truppen versorgen und strategisch handeln konnte, wäre die Geschichte anders verlaufen. Dafür wurde Laos von Amerika mit Streubomben malträtiert. Mehr als 2 Millionen Tonnen Bomben wurden über Laos abgeworfen und viele, viele, viele davon liegen nach wie vor unexplodiert über das Land verteilt. UXO schränkt das Leben der Laoten sehr stark ein. Schwer zu begreifen, wie die USA ein ganzes Land für die nächsten Jahrzehnte so zerstören konnte. Für Ruhm und Ansehen? 2 Millionen Tonnen Sprengsätze sind mehr, als im gesamten Zweiten Weltkrieg über ganz Europa abgeworfen wurde …

Später sehen wir uns in einer Art Open-Air Kino eine überarbeitete Fassung des Films „Chang“ (zu Deutsch: „Elefant“) an. Dabei handelt es sich um den ersten Film, der von Laos und dem Umgang von Menschen mit Tieren handelt. Einer der ersten Filme überhaupt (übrigens vom Macher von King Kong), der eine Moral voranstellt, sich mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz beschäftigt.

Der Morning Market hat es in sich. In einer schmalen, langen Gasse sitzen Bauersfrauen und Kinder aus den umliegenden Dörfern nebeneinander und Decke an Decke reihen sich die verschiedensten Dinge. Eben alles, was sie auf ihren Feldern so anbauen, in den Flüssen fischen, in der Umgebung fangen oder sammeln können. Von frischen Kräutern bis saftigen Früchten, von Schlangenköpfen bis gepögelten Fledermäusen, von Hühnerfüßen bis meterlangen Wallern, von limettig-salzigen Erdnüssen bis getrockneten Büffelhaut-Chips gibt es hier alles. Schnecken und Käfer versuchen, aus den Blechschalen zu entkommen und Küken fiepsten in ihren winzigen Bambuskäfigen ums nackte Überleben. Einmal mehr heißt es für uns, einfach drüber zu stehen und Asien so zu akzeptieren, wie es ist.

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Ein Abendkochkurs zusammen mit Emma endet in einer leckeren Völlerei und der Erkenntniss, dass offenes Feuer, ein Mörser und ein Reiskocher aus Bambus eine reiche Vielfalt an köstlichem Essen zaubern können. Wir machen Fisch in Bananenblättern, Dips aus Tomaten und Auberginen (serviert mit klebrigem Reis), mit Hühnchen gefühltes Zitronengras und fruchtige Desserts.

Eine Radtour zum Kuong Si Wasserfall, der Schmetterlingsfarm und der zugehörigen Schwarzbären-Auffangstation kosten uns all unsere Kraft, beträgt die einfache Strecke doch 30 km und geht beständig in der aufkommenden Mittagshitze bergauf. Der Ausflug lohnt sich alle mal.

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Am nächsten Morgen widmen wir uns dem Reisanbau und lernen auf einer nachhaltigen Reisfarm, auf der viele Bauersfamilien gemeinsammen Anbau betreiben und leben, wie das alles genau funktioniert. Die Living Land Company ist das Projekt dazu.

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Abends bekommen wir Geschichten von Laos mit musikalischer Untermalung eines jungen Laoten und seines Großvaters erzählt. Ein schöner Abschluss in einer schönen, kunstvollen Stadt voller Detaills, Schmuckstücke der Kolonialzeit und Cafés. Luand Prabang ist für uns das Paris Asiens.

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